es wird zeit für eine erste wahlanalyse aus meiner sicht. seid vorgewarnt, sie wird wie üblich etwas länger:
ps eine analyse der linken + fazit kommt später, da diese partei meines erachtens noch ein anderes problem am besten reflektiert: die 2-klassen-gesellschaft in deutschland. auf der einen seite der besser-wessi und auf der anderenseite der nurnehmenkönnenossi.... also das höhere wesen "deutscher" und der unfall jenseits der mauer. gleiches gilt auch für die siegerjustiz (incl stasi-vergangenheit; warum werden die mdbs nicht mal nach ihrer bnd tätigkeit untersucht bzw alle ehemals ddr-mitarbeiter des bnds für jahrzehnte in den knast gesteckt? schließlich war das auch hochverrat!!), die bis heute noch anhält bzw das ignorieren der politik, speziell ostdeutscher probleme....
1) allgemein
nach 9 tagen steht schon mal eins fest: aufgrund politischer machtinteressen, fehlender kompetenz, aber auch blick für die realität läuft es aktuell auf eine große koalition heraus. nach anfänglichem tief und eigentor schröder hat die spd mal wieder mächtig aufgeholt und die cdu sogar überrundet, dh falls es zu einem scheitern käme, hätte die cdu den schwarzen peter....
2) einzelanalyse:
spd:
im gegensatz zur cdu ist die spd schnell auf den boden der tatsachen zurückgekehrt und hat eine erstaunliche flexibilität, aber auch leise selbstkritik gezeigt. sie hat begriffen, dass bei der aktuellen polititischen situation nur eine große koalition weiterhilft. dementsprechend offen geht sie und schröder in die gespräche. der ansatz, erst die inhalte verhandeln, dann die posten, haben in meinen augen bewiesen, dass sie sich der politischen verantwortung sehr wohl bewusst ist und bereit ist, entsprechend zu handeln...
zu schröder: auch er hat nach seinem blackout verstanden, worum es geht. die option mit dem israel-modell ist nur noch ein stiller versuch des machterhalts. ähnlich, wie seine gestrige äußerung ("werde alles dafür tun, dass die große zustande kommt"), zeigt dieser vorschlag, dass er sich mit seinem abgang abgefunden hat. genauso wie die spd (und teile der cdu/csu) wünscht er sich einen würdevollen abschied....
cdu/csu:
leider hat mich die cdu/csu nur einmal (positiv) überrascht: die schnelle und demonstrative rückendeckung für "angie".... seitdem bestätigt sie aber massiv meine zweifel an einer regierungsfähigkeit. einerseits ist es nicht nachvollziehrbar, wie schnell sie im fall grüne aufgegeben hat (und sich einer reellen option + guten ausgangsbasis im machtkampf mit der spd beraubt hat), andererseits beweist sie, wie wenig sie die aktuelle machtkonstellation verinnerlicht hat bzw nach welchem muster eine schwarz-gelbe koalition verlaufen wäre....
nicht umsonst hatte die cdu im bundesrat mehrere kompromisse aus reinem größenwahn und machtanspruch platzen lassen... (auf kosten deutschlands versteht sich) aber auch aktuell ist sie zu keinen kompromissen bereit, was schon dahingehend paradox ist, als das sie sich als partei mit dem regierungsmandat sieht....
es kann doch nicht sein, dass die cdu noch
vor beginn von koalitionsverhandlungen so hohe hürden stellt, dass ein akzeptieren dieser für jeden partner eine klare erniedrigung darstellt. nicht anders ist die haltung der union in sachen kanzlerin zu deuten. (sprich, dass die spd vor gesprächsbeginn nicht nur einen anspruch der cdu aufs kanzleramt sondern auch noch die merkel anerkennen soll...)
schon heute ist klar, dass die spd zumindestens einem cdu-kanzler zustimmen wird. dahingehend ist diese forderung als vorbedingung zu gesprächen sowohl überzogen als auch der wahrscheinlichste grund für ein scheitern. gleichzeitig zeigt es aber auch, wie unflexible und starr die führungsspitze der union geworden ist. im gegensatz zur zweiten reihe übrigens. die hat nämlich sehr wohl verstanden, dass diese vorbedingung inakzeptabel ist, sowie schröder - egal was man von ihm denken mag - als bundeskanzler nunmal einen würdigen abschied verdient hat....
=> dahingend schwant mir für die zukunft übles, sollte diese unionsspitze über die zukunft deutschlands entscheiden müssen...
=> allerdings kann man in einem punkt beruhigt sein. eine zukunft dieser leute wird es nur geben, wenn sie endlich die notwendige gesprächs- sprich kompromissbereitschaft an den tag legt, die nunmal eine regierung zweier gleichstarker (eher gleichschwacher) partner erfordert!
=> somit liegt der
schwarze peter aktuell bei der cdu!
EDIT
es ist schon frustrierend zu lesen, wie arrogant die cdu mit dem thema merkel und kanzlerschaft umgeht. das in einer koalition beide partner hinter dem personal stehen müssen ist dort leider immernoch nicht angekommen. und eine anerkennung merkels (als absolute wahlverliererin und unerwünschte person in deutschland) wäre eine erniedrigung ohnes gleichen. eine koalition unter solchen voraussetzungen würde bestenfalls 1 jahr halten.
zweites problem und direkte folge: merkt die cdu nicht, wie selbstherrlich und selbstgerecht sie mit dem thema umgeht? die forderung, mit merkel oder gar nicht, ist schon unverfroren. aber da merkt man, dass
der cdu deutschlands probleme am arsch vorbei gehen! einziges ziel ist eine erniedrigung schröders und befriedung einiger wichtiger kasper in reihen der union...
EDIT ENDE
fdp:
politisch die nächste enttäuschung. nach dem positiven abschneiden (und wenn überhaupt, die einzige partei mit einem echten regierungsauftrag!) ist das verhalten von westerwelle sowohl innerhalb der partei als auch in bezug auf koalitionsverhandlungen enttäuschend. scheinbar hat ihm das positive ergebnis das gehirn vernebelt. nicht anders ist sein verlust zur realität zu verstehen....
ich prophezei mal, dass die nibelungentreu zu merkel auch westerwelles tod sein wird. und zwar schneller als er glaubt. er hat zwar bei der merkel einen stein im brett, aber da ihre politische karriere mit allerwahrscheinlichkeit vorbei sein dürfte, ist es wohl seine auch.... bei der nachkommenden generation in der cdu genießt er nicht annähernd soviel ansehen....
ich kann nicht verstehen, warum die partei den westerwelle nicht langsam mal einfängt. (könnte an einem führungsproblem in der fdp liegen) schwarz-gelb hat keine zukunft im bundestag mehr, dh vorallem die kleinen parteien müssen flexibler werden.... diese realität ham die grünen schneller begriffen als die fdp (ok, sie noch gar net...).... das kategorische nein zur ampel zeugt in meinen augen von großenwahn und absoluter fehleinschätzung der realität. einerseits ist die fdp angetreten, um rot-grün abzulösen und selbst zu regieren, andererseits, jetzt wo die chance da iss, geht man freiwillig in die oposition. (oder wie sonst soll man das kategorische nein zur ampel verstehen?)
und ich dachte bis jetzt immer, aktiv regiert wird von der regierungsbank...
das mein verdacht mit größenwahn und realitätsverlust nicht unbegründet ist, zeigt westerwelle vorschlag: man verhandle erstmal mit der cdu, unterschreibe einen koalitionsvertrag und der rest wird sich schon ergeben... :spinner:
=> fast noch größeres eigentor als von schröder und merkel zusammen! damit hat sich die fdp lächerlich gemacht und ihr image als spass (= aktuell nicht ernstzunehmende) partei unter beweis gestellt
=> gott sei dank ist es nicht zu schwarz-gelb gekommen:
grund 1) nibelungentreue westerwelles und unfähigkeit, selbständig zu denken und zu handeln...
grund 2) allein, dass die cdu sich auf eine zukunft mit kompromissen nicht eingestellt hatte, beweist ihre aktuellen handlungen in den vorgesprächen. was aber auch ein guter fingezig ist, wie sie sich die regierung mit der fdp vorgestellt hatte. einmal abnicken und das wars....
und zum schluss:
grün:
neben der linken die einzige partei, die die realität noch am wahlabend erfasst hat: sie ist gleichzeitig gewinner aber auch verlierer. und hat sich dementsprechend sofort auf opposition eingestellt...
doch im gegensatz zur fdp war man sich der politischen verantwortung bewusst und hat (bis heute!) nicht alle türen zu geschlagen.
verlierer: logo, wer nicht weiterregiert hat nicht gewonnen...
gewinner: sie kann, muss aber nicht, weiter regieren. ihr vorteil ist dabei, dass sie aufgrund ihrer klientel sehr liberal regieren kann, aber eben auch auf ihren interessen beharren darf. und auch hier zeigt es sich, wie wenig flexibel das konstrukt cdu/csu ist. anstatt den grünen entgegenzugehen wurden wieder gleich unüberbrückbare hürden aufgebaut....