Reformen täten Frankreich gut
Die dramatischen Fernsehbilder täuschen zwar teilweise: In Frankreich herrscht kein Bürgerkrieg; an den meisten Orten im Land merkt man nichts von den lokalen Unruhen. Die Banlieue brennt aber wirklich. Und mehr denn je. Der Anlass – der Unfalltod zweier polizeilich gesuchter Nordafrikaner in einem Stromhäuschen – ist fast schon vergessen. Nicht so die Bemerkung von Innenminister Nicolas Sarkozy, er werde mit der «racaille», dem «Lumpenpack», aufräumen: Die gemeinten Schläger wollen dem obersten Flic im Land beweisen, dass er Unrecht hat, und die übrigen Banlieue-Bewohner – jene friedlichen Millionen, die unter der Alltagsgewalt am meisten leiden – geben sich jetzt fast solidarisch.
Der seit Jahrzehnten aufgestaute Banlieue-Frust macht sich wieder einmal Luft und zeigt, wie dramatisch die französische Integrationspolitik versagt hat. Niemand hat mehr ein Rezept. Schon gar nicht die Minister in Paris, die seit 20 Jahren die gleiche Litanei von hartem Durchgreifen und sozialen Begleitmassnahmen wiederholen. Neuerdings behauptet Sarkozy, die Aufstände seien «perfekt organisiert». Durch wen? Drogenbanden etwa oder gar Islamisten? Wer die «Jungen», wie die Schläger in den französischen Medien genannt werden, in ihren Quartieren ausfragt, hört indes nichts von Dschihad oder auch nur von Allah. In den gleichen Banlieue-Quartieren mögen zwar ein paar verwirrte Maghrebinerköpfe gerade Anschläge für El Kaida planen, aber mit den Krawallbrüdern haben sie nichts gemein ausser eben dem «Hass». Die Banlieue-Jugend langweilt sich ganz einfach in ihren trostlosen Siedlungen, wo es weder Arbeit noch Kinos hat. Ein bisschen Spass und «Action», gemischt mit sozialem Frust und französischem Rebellen-Temperament, genährt vom – nicht grundlos – miesen Image der Polizei und der Politiker: Das ergibt einen gefährlichen Mix.
Nun darf man nicht meinen, diese minderjährigen Franko-Maghrebiner seien gesellschaftlich ähnlich verwahrlost wie etwa die Schwarzen und Armen von New Orleans. Sie erhalten eine republikanische Schulbildung und wissen genau Bescheid über die Pariser Politik. Zum Beispiel, dass Sarkozy in erster Linie Staatspräsident werden will, wenn er seine Stammtischsprüche klopft. «Und Villepin beginnt auch schon, von Sarkozy abzuschauen, was der von Chirac gelernt hat», analysierte ein zwölfjähriger Rotzbengel diese Woche in Aulnay-sous-Bois sehr präzis.
Der Hahnenkampf zwischen Premierminister Dominique de Villepin (mit Staatschef Jacques Chirac an seiner Seite) und Sarkozy verstärkt den generellen Eindruck der Banlieue-Bewohner, dass die Kriminalitätsbekämpfungs- und Integrationspolitik nicht für sie, sondern auf ihrem Rücken betrieben wird. «Für die sind wir ohnehin nur die kleinen 'Bougnouls'», meinte derselbe Jungbürger von Aulnay unter bewusster Verwendung des Schimpfwortes für Araber, um sogleich anzufügen: «Jetzt mucken die 'Bougnouls' auf und legen im Elysée Feuer!»
Die aktuelle Revolte in Frankreich wird nicht in eine Revolution ausmünden. Trotzdem täten dem Land ein paar Reformen gut. Frankreich braucht eine Integrationspolitik, die diesen Namen verdient und auch mutige Massnahmen wie etwa die positive Diskriminierung in Betracht zieht; Frankreich braucht eine neue Verfassung, um die völlig lähmende Fokussierung des politischen Lebens auf die Elysée-Wahl zu stoppen; und Frankreich muss seine Wirtschaft radikal modernisieren, um den eigentlichen Grund für die Massenarbeitslosigkeit – die prohibitive Höhe der Sozialabgaben pro Jobstelle – zu beseitigen. «Vaste programme», würde Charles de Gaulle dazu sagen: Denn das ist in der Tat ein gewaltiges Programm. Ein Grund mehr, sofort damit zu beginnen.
Quelle
also ich finde es ist harmloser als es gezeigt wird in den medien
die suchen doch nur nach neuen katastrophen nun sind es die aufstände in frankreich praktisch direkt vor unserer haustür ist doch klar das die meisten leute das beunruhigt finden und es sich deshalb so gut verkaufen lässt